Der gesetzliche Artenschutz

Ebenso wie die Verbote des gesetzlichen Biotopschutzes finden auch die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote nicht bereits auf der Ebene der Bauleitplanung, sondern erst auf der Ebene der Vorhabenzulassung ihre unmittelbare Anwendung. Doch unter dem Gesichtspunkt der (ggf. mangelnden) Vollzugsfähigkeit müssen die Gemeinden im Rahmen der Bauleitplanung auch die möglichen artenschutzrechtlichen Konflikte in den Blick nehmen. Um abschätzen zu können, ob sich die Verbote des Artenschutzrechts beim Vollzug des Bebauungsplans als unüberwindliche Hindernisse erweisen können, müssen die Gemeinden im Bauleitplanverfahren ermitteln, inwieweit die Belange des Artenschutzes durch die beabsichtigten Planungen voraussichtlich betroffen werden.

Die rechtlichen Anforderungen an die Bestandsaufnahme sind auf der Ebene der Bauleitplanung geringer als im nachfolgenden Zulassungsverfahren. So sind vertiefende Untersuchungen nur im Falle von Anhaltspunkten für das Vorhandensein seltener oder gefährdeter Tier- oder Pflanzenarten erforderlich - ansonsten ist grundsätzlich eine überschlägige Abschätzung ausreichend, welche Arten in welchem Umfang betroffen sind. Für eine solche Abschätzung sollte naturschutzfachlicher Sachverstand hinzugezogen werden, d.h. entsprechende Informationen sollten bei der UNB angefragt werden, ebenso sollte entsprechenden Informationen aus der Öffentlichkeitsbeteiligung nachgegangen werden.

§ 44 Abs. 1 BNatSchG

Zum gesetzlichen Artenschutz siehe weiterführend

  • Handbuch Verbandsbeteiligung NRW Band I, Kap. G 5.6 und 5.7, in der Bauleitplanung Band II, Kap. K 8.4.
  • Gellermann, Martin in: Landmann/ Rohmer: Umweltrecht, Loseblatt-Kommentar, 84. EL Juli 2017, § 30 Rn 22 ff., § 34 Rn 59ff., § 36 Rn 10 ff., § 44 Rn 48 ff..

 

Ergeben sich bei der Ermittlung der Artenschutzbelange Anhaltspunkte für die verbotsrelevante Betroffenheit von Arten, kann für europäisch geschützte Arten die Möglichkeit der Durchführung sogenannte CEF-Maßnahmen geprüft werden (CEF = „continuous ecological functionality-measures“, Übersetzung etwa „Maßnahmen für die dauerhafte ökologische Funktion“). In diesem Rahmen wird dann untersucht, ob es möglich ist, die ökologische Funktion der von der Realisierung der bauplanungsrechtlichen Festsetzungen voraussichtlich betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin zu gewährleisten – entweder durch geeignete Ausweichhabitate in der Umgebung oder durch sogenannte „vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen“.

Ob die ökologische Funktion einer betroffenen Lebensstätte im „räumlichen Zusammenhang“ gewährleistet ist, muss im Einzelfall naturschutzfachlich beurteilt werden. Aus rechtlicher Sicht müssen „vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen“ unmittelbar an den voraussichtlich betroffenen Exemplaren einer Art ansetzen und zeitlich so durchgeführt werden, dass zwischen dem Erfolg der Maßnahme und dem vorgesehenen Eingriff keine zeitliche Lücke entsteht, für die betroffenen Exemplare also eine wirksame und zeitlich lückenlose Abhilfe geschaffen wird.

Scheinen Verbotsverstöße durch die Realisierung der Planvorhaben unausweichlich, muss geprüft werden, ob hinsichtlich dieser Verstöße voraussichtlich die Voraussetzungen für die Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme vorliegen werden. Die Erteilung einer Ausnahme für ein Planvorhaben kommt in diesem Zusammenhang nur aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art in Betracht. Außerdem darf es für das Vorhaben keine zumutbaren Alternativen geben und der Erhaltungszustand der betroffenen Population einer Art darf sich nicht verschlechtern. In der Rechtsprechung werden Gründe des öffentlichen Interesses z.B. als „durch Vernunft geleitetes staatliches Handeln“ oder „dem Wohl der Allgemeinheit dienend“ beschrieben. Für den Begriff „zwingend“ genügen nach der Rechtsprechung hinreichende Gründe, die für die Realisierung des Vorhabens sprechen. Hierbei muss die entscheidende Behörde eine nachvollziehbare Abwägung vornehmen, ob die zwingenden Gründe des öffentlichen Interesses Vorrang vor den Artenschutzbelangen haben.

§ 45 Abs. 7 Nr. 5 und S. 2 BNatSchG

Im Zusammenhang mit der Frage, ob es zumutbare Alternativen für das mit dem Artenschutz kollidierende Vorhaben gibt, sind die Ausführungsmodalitäten und die Gestaltung des Vorhabens sowie Standortalternativen zu prüfen, insbesondere, wenn das Vorhaben an dem betreffenden Standort nicht ohne Verstoß gegen das Artenschutzrecht realisiert werden kann. Dem Planungsträger können hierbei Alternativen zugemutet werden, die gewisse Abstriche hinsichtlich des Grades der von ihm verfolgten Zielerfüllung oder einen finanziellen Mehraufwand bedeuten, allerdings nur, soweit sie nicht außer Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Gewinn für Natur und Umwelt stehen.

Ergibt also die Prüfung der Artenschutzbelange im B-Planverfahren Hinweise auf artenschutzrechtliche Konflikte durch die Realisierung der Planung, muss die planende Gemeinde - um einen wirksamen vollzugsfähigen B-Plan aufzustellen - prüfen, ob artenschutzrechtliche Verstöße durch CEF-Maßnahmen ausgeräumt werden können und wenn dies nicht der Fall ist, ob für die drohenden Verstöße voraussichtlich eine artenschutzrechtliche Ausnahme wird erteilt werden können. Im Falle unüberwindlicher Verstöße, muss die Gemeinde ihre Planungen entsprechend korrigieren.

In NRW gibt es zum Thema Artenschutz in der Bauleitplanung drei wichtige Handlungsanleitungen, die in der Praxis regelmäßig angewendet werden bzw. anzuwenden sind und die fachliche Abarbeitung der Thematik bestimmen:

Zur kritischen Betrachtung der Handlungsempfehlung zum Artenschutz in der Bauleitplanung siehe Rundschreiben 36 vom Dezember 2011, Gerhard, Michael: „Artenschutz mit Augenmaß, aber nicht mit Scheuklappen“, S. 12 ff.

Zum Leitfaden für Windenergieanlagen siehe auch die aktuelle Meldung vom 20.12.2017 sowie das Positionspapier des Landesbüros vom Mai 2017.